Zur Startseite Magazin
Zur Anmeldung Newsletter
Informationen und Beratung für Ministerien, Schulträger und Medienzentren

Marieke Wede, Lehrerin und Mitinitiatorin des Profilzugs „Anders lernen in der digitalen Welt“

Foto: Marieke Wede © Lars Hübner

30.06.2023: Zeitgemäßes Lehren und Lernen: Mit diesem Anspruch hat die Stadtteilschule Helmuth Hübener in Hamburg vor einem Jahr das Projekt „Anders lernen in der digitalen Welt“ gestartet. Im Interview erzählt Marieke Wede, Lehrerin und Mitinitiatorin des neuen Profilzugs, was das Projekt auszeichnet und was sie sich für die Bildung der Zukunft wünscht. 

 


Sie haben in diesem Schuljahr das Profil „Anders lernen in der digitalen Welt“ gestartet. Aus welcher Überlegung ist das Projekt entstanden und was zeichnet es aus?

Wede: Wir haben uns mit 15 Unterstützenden zusammengesetzt, darunter Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Schulleitung sowie Steuergruppenmitglieder, und uns gefragt, wie zeitgemäßes Lernen funktionieren kann. Unser Ziel war es, starre Fächervorgaben aufzulösen und mehr themen-, angebots- und projektbasiert zu arbeiten. Dafür haben wir drei Säulen etabliert: Wir haben die meisten Fächer aufgelöst, die Noten abgeschafft und den Kindern viele Mitbestimmungsrechte eingeräumt.

Die Kinder kommen dreimal die Woche zu einer Versammlung zusammen. Anders als an vielen anderen Schulen nehmen wir uns dabei nicht nur Zeit für das soziale Miteinander, sondern sprechen vor allem über die Finanzplanung, die Tagesorganisation, Projektvorhaben und Projektideen, den Umgang mit Lehrkräften und das Lernen. Diese konsequente Beteiligung ermutigt die Kinder, eigenständig zu lernen und persönliche Interessen herauszuarbeiten. Dabei hilft auch das Wegfallen von Noten, denn Lernprozesse werden digital und analog dokumentiert und die Kinder erhalten am Ende des Schuljahres Rückmeldungen über ein Kompetenzraster. Und auch wenn wir viel ausprobieren, möchten wir keine Experimente mit den Abschlüssen der Kinder machen: Die Hauptfächer Deutsch, Englisch und Mathe unterrichten wir weiterhin an der gesamten Schule.

Wir haben für das Projekt den gesamten fünften Jahrgang in einer 1:1-Ausstattung. Das heißt: Jedes Kind hat sein personalisiertes Leih-Tablet. Für uns ein Erfolgsfaktor für das digitale Lernen, zumal wir uns bewusst dazu entschieden haben, unser Angebot an einer staatlichen Schule zu entwickeln, die in einem Stadtteil mit einem niedrigen sozialen Index liegt.

Auch der Raum spielt eine besondere Rolle für uns: Gemeinsam mit einem Architekten und den Schülerinnen und Schülern haben wir ein Raumkonzept entwickelt, das sich optimal an die Bedürfnisse der Kinder im projektorientierten Lernen anpasst und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Hier haben wir Arbeitsplätze geschaffen, die nun sehr unterschiedlich aussehen. Wir nutzen Kisten, verschiedene Arten von Stühlen, breite Fensterbänke, runde und eckige Tische.

Das erste Schuljahr ist nun fast beendet. Welche Projekte haben sich entwickelt und wie ist das Feedback der Schülerinnen und Schüler?

Wede: Wir haben eher zu viele Ideen als zu wenig und die Kinder sind unglaublich motiviert. Neben einigen Projekten wie unserem Tierheim- und Schulhundprojekt haben sich viele künstlerische Konzepte aus den Interessen der Kinder entwickelt: Modedesign, Filmprojekte, Hand-Lettering und Graffiti. Auch mit Robotern haben die Kinder viel gearbeitet und gemeinsam mit einem Spieleentwickler ein kleines Computerspiel programmiert.

Wir haben gemerkt, dass das Angebot auch Kinder anzieht, die Schule nicht immer toll fanden, sondern sehr unzufrieden und verunsichert in der Grundschule waren. Das liegt unter anderem daran, dass aufgrund der Pandemie der Unterricht zwei Jahre nicht so stattgefunden hat, wie er eigentlich stattfinden sollte. Inzwischen gehen diese Kinder wieder sehr gerne in die Schule. Darauf bin ich stolz. Nach den Sommerferien kommt eine neue fünfte Klasse dazu und dann starten wir mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen in das zweite Jahr und führen den Inquiry Based Learning-Ansatz ein, um die Projekte zu begleiten. Dabei formulieren die Lernenden Fragen, stellen eigene Hypothesen auf und überprüfen anhand von Untersuchungen und Experimenten die Hypothesen.

Was ist ihr Fazit nach dem ersten Jahr „Anders lernen in der digitalen Welt“?

Wede: Nach einem Jahr mit dem Projekt habe ich tatsächlich den Eindruck, dass der Schritt zu einem anderen Unterricht und Schulalltag gar nicht so groß ist wie es vorher manchmal aussieht – dafür aber wirklich an der Zeit! Warum fangen wir nicht einfach damit an, viel mehr fächerübergreifend und problemorientiert zu arbeiten? Es ist mir nach wie vor ein Rätsel, dass sich Schule in den letzten 100 Jahren so wenig verändert hat.

Und jetzt, wo wir bei uns Schule anders gestalten, denke ich: Es ist möglich! Es ist möglich, dreimal die Woche Versammlungen zu machen und Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, was sie lernen möchten. Es ist möglich, ein Budget an die Schülerinnen und Schüler zu übergeben. Es ist möglich, die Fächer aufzulösen und themenorientiert vorzugehen. Aus meiner Sicht ist es dringend notwendig, dass sich das Schulsystem einer sehr veränderten Welt anpasst.

Die Kinder der fünften Klasse während einer Versammlung.
Foto: © Stadtteilschule Helmuth Hübener

Zur Startseite Magazin
Zur Anmeldung Newsletter

Marieke Wede, Lehrerin und Mitinitiatorin des Profilzugs „Anders lernen in der digitalen Welt“

Foto: Marieke Wede © Lars Hübner

30.06.2023: Zeitgemäßes Lehren und Lernen: Mit diesem Anspruch hat die Stadtteilschule Helmuth Hübener in Hamburg vor einem Jahr das Projekt „Anders lernen in der digitalen Welt“ gestartet. Im Interview erzählt Marieke Wede, Lehrerin und Mitinitiatorin des neuen Profilzugs, was das Projekt auszeichnet und was sie sich für die Bildung der Zukunft wünscht. 

 


Sie haben in diesem Schuljahr das Profil „Anders lernen in der digitalen Welt“ gestartet. Aus welcher Überlegung ist das Projekt entstanden und was zeichnet es aus?

Wede: Wir haben uns mit 15 Unterstützenden zusammengesetzt, darunter Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Schulleitung sowie Steuergruppenmitglieder, und uns gefragt, wie zeitgemäßes Lernen funktionieren kann. Unser Ziel war es, starre Fächervorgaben aufzulösen und mehr themen-, angebots- und projektbasiert zu arbeiten. Dafür haben wir drei Säulen etabliert: Wir haben die meisten Fächer aufgelöst, die Noten abgeschafft und den Kindern viele Mitbestimmungsrechte eingeräumt.

Die Kinder kommen dreimal die Woche zu einer Versammlung zusammen. Anders als an vielen anderen Schulen nehmen wir uns dabei nicht nur Zeit für das soziale Miteinander, sondern sprechen vor allem über die Finanzplanung, die Tagesorganisation, Projektvorhaben und Projektideen, den Umgang mit Lehrkräften und das Lernen. Diese konsequente Beteiligung ermutigt die Kinder, eigenständig zu lernen und persönliche Interessen herauszuarbeiten. Dabei hilft auch das Wegfallen von Noten, denn Lernprozesse werden digital und analog dokumentiert und die Kinder erhalten am Ende des Schuljahres Rückmeldungen über ein Kompetenzraster. Und auch wenn wir viel ausprobieren, möchten wir keine Experimente mit den Abschlüssen der Kinder machen: Die Hauptfächer Deutsch, Englisch und Mathe unterrichten wir weiterhin an der gesamten Schule.

Wir haben für das Projekt den gesamten fünften Jahrgang in einer 1:1-Ausstattung. Das heißt: Jedes Kind hat sein personalisiertes Leih-Tablet. Für uns ein Erfolgsfaktor für das digitale Lernen, zumal wir uns bewusst dazu entschieden haben, unser Angebot an einer staatlichen Schule zu entwickeln, die in einem Stadtteil mit einem niedrigen sozialen Index liegt.

Auch der Raum spielt eine besondere Rolle für uns: Gemeinsam mit einem Architekten und den Schülerinnen und Schülern haben wir ein Raumkonzept entwickelt, das sich optimal an die Bedürfnisse der Kinder im projektorientierten Lernen anpasst und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Hier haben wir Arbeitsplätze geschaffen, die nun sehr unterschiedlich aussehen. Wir nutzen Kisten, verschiedene Arten von Stühlen, breite Fensterbänke, runde und eckige Tische.

Das erste Schuljahr ist nun fast beendet. Welche Projekte haben sich entwickelt und wie ist das Feedback der Schülerinnen und Schüler?

Wede: Wir haben eher zu viele Ideen als zu wenig und die Kinder sind unglaublich motiviert. Neben einigen Projekten wie unserem Tierheim- und Schulhundprojekt haben sich viele künstlerische Konzepte aus den Interessen der Kinder entwickelt: Modedesign, Filmprojekte, Hand-Lettering und Graffiti. Auch mit Robotern haben die Kinder viel gearbeitet und gemeinsam mit einem Spieleentwickler ein kleines Computerspiel programmiert.

Wir haben gemerkt, dass das Angebot auch Kinder anzieht, die Schule nicht immer toll fanden, sondern sehr unzufrieden und verunsichert in der Grundschule waren. Das liegt unter anderem daran, dass aufgrund der Pandemie der Unterricht zwei Jahre nicht so stattgefunden hat, wie er eigentlich stattfinden sollte. Inzwischen gehen diese Kinder wieder sehr gerne in die Schule. Darauf bin ich stolz. Nach den Sommerferien kommt eine neue fünfte Klasse dazu und dann starten wir mit jahrgangsübergreifenden Lerngruppen in das zweite Jahr und führen den Inquiry Based Learning-Ansatz ein, um die Projekte zu begleiten. Dabei formulieren die Lernenden Fragen, stellen eigene Hypothesen auf und überprüfen anhand von Untersuchungen und Experimenten die Hypothesen.

Was ist ihr Fazit nach dem ersten Jahr „Anders lernen in der digitalen Welt“?

Wede: Nach einem Jahr mit dem Projekt habe ich tatsächlich den Eindruck, dass der Schritt zu einem anderen Unterricht und Schulalltag gar nicht so groß ist wie es vorher manchmal aussieht – dafür aber wirklich an der Zeit! Warum fangen wir nicht einfach damit an, viel mehr fächerübergreifend und problemorientiert zu arbeiten? Es ist mir nach wie vor ein Rätsel, dass sich Schule in den letzten 100 Jahren so wenig verändert hat.

Und jetzt, wo wir bei uns Schule anders gestalten, denke ich: Es ist möglich! Es ist möglich, dreimal die Woche Versammlungen zu machen und Schülerinnen und Schüler einzubeziehen, was sie lernen möchten. Es ist möglich, ein Budget an die Schülerinnen und Schüler zu übergeben. Es ist möglich, die Fächer aufzulösen und themenorientiert vorzugehen. Aus meiner Sicht ist es dringend notwendig, dass sich das Schulsystem einer sehr veränderten Welt anpasst.

Die Kinder der fünften Klasse während einer Versammlung.
Foto: © Stadtteilschule Helmuth Hübener

Zur Startseite Magazin
Zur Anmeldung Newsletter
Zur Startseite Magazin
Zur Anmeldung Newsletter
Informationen und Beratung für Ministerien, Schulträger und Medienzentren