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Haben Roboter eine Zukunft in den Klassenzimmern? Bildquelle: Alex Knight | Pexels

Guten Morgen, Herr Roboter.

Ein Beitrag von Birk Grüling

Selbst optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 81.000 Lehrkräfte an deutschen Schulen fehlen. Bei pessimistischeren sind es sogar 155.000. Doch woher sollen die ganzen benötigten Pädagoginnen und Pädagogen kommen? Die Studierendenzahlen in den Lehrämtern sind eher rückläufig. Auch das Potenzial von Quereinsteigenden ist endlich und die Reaktivierung von Studienräten a.D. keine Dauerlösung. Vielleicht wäre es also an der Zeit über andere, mittelfristige Lösungen nachzudenken, zum Beispiel über Robo-Lehrkräfte. Ich spreche hier natürlich nicht von C3PO oder R2D2 im Klassenzimmer. Das sind leider nicht die Droiden, die für deutsche Schulen gesucht werden sollten. Es geht eher um kleine Roboter oder smarte Schulbücher, die Lehrkräfte unterstützen und entlasten können.

Schließen wir die Augen und stellen uns vor: Eine Geschichtsstunde im Jahre 2040, an einer gutausstatteten Schule mit stabiler und schneller Internetverbindung. Zwei Kinder beugen sich über eine Karte des römischen Reiches, nicht im Geschichtsbuch, sondern auch auf einem großen Tablet. Vor Ihnen auf dem Tisch steht ein kleiner, weißer Roboter, mit großen, runden Augen. „Soll ich euch einen Tipp geben?“, fragt er, seine mechanischen Augen blinken. Gemeinschaftliches Nicken. Mit der kleinen Hand deutet der Roboter auf den Rhein in der Mitte der Karte. „Schaut dort nochmal, dort verlief der Limes.“

Nur Technikspinnerei? Mitnichten! Im Unterricht ist es auch schon ohne Lehrkräftemangel ziemlich schwer, auf die Bedürfnisse aller Kinder einzugehen. Deshalb ist es doch legitim zu fragen, ob und wie smarte Technik den Lehrkräften ihren Alltag nicht erleichtern kann. Die Betonung liegt auf „helfen“ und nicht „ersetzen“. Die Schülerinnen und Schüler hätten im besten Fall ein Gegenüber, das mit ihnen gemeinsam Aufgaben lösen kann, ihnen Dinge erklärt, sie zum (Weiter-)Lernen motiviert und empathisch auf sie reagiert. An letzterem arbeiten im Moment viele Robotik-Experten. Affective Computing ist der Fachbegriff für die Bestrebung, künstlicher Intelligenz das Verständnis unserer Gefühle beizubringen. Dafür werden unsere Stimme, unsere Mimik und unsere Gestik genau analysiert und daraus Rückschlüsse auf unsere Gefühlslage gezogen. Von dieser Fähigkeit erhoffen sich Experten eine deutlich höhere Akzeptanz bei der Mensch-Maschinen-Interaktion. In unserer Zukunftsvision hieße das: Kommen Antworten zögerlich, legt sich die Stirn des Schülers in Falten, schaut die Mitschülerin gelangweilt aus dem Fenster, könnte der Roboter nachfragen, seine Hilfe anbieten oder neue Aufgaben stellen. Und noch wichtiger, mit kleinen Gesten und netten Worten könnte er zum Lernen motivieren.

Noch ein großer Vorteil: Kinder und Jugendliche reagieren in der Regel sehr positiv auf Roboter und haben deutlich weniger Berührungsängste mit neuer Technik als deutsche Schulbehörden. Vielleicht bräuchten wir für solche Visionen nicht einmal Roboter. Denkbar wäre auch ein sprechendes Schulbuch, nicht gedruckt, sondern auf dem Schüler-Tablet. Auch die haben genug Kameras, um grundlegende Gesichtsausdrücke zu erfassen.

Und um mir erbitterte Leserbriefe und Kommentare zu ersparen, möchte ich am Abschluss nochmal betonen: Einen Lehrer ersetzen, sollen und können die Maschinen nicht – jedenfalls noch nicht. Der Robo-Lehrer wäre im ersten Schritt eine Arbeitserleichterung, eine Art Weiterentwicklung des Konzeptes der „Lerncomputer“. Die Lehrkraft aus Fleisch und Blut bleibt weiterhin Ansprechpartner:in Nr. 1. Die komplexe, soziale Dynamik einer ganzen Klasse ist eine künstliche Intelligenz zu komplex. Gleiches gilt für die tägliche Improvisation mit veralteter Schultechnik und der sicheren Bedienung eines Overhead-Projektors.