Bildung der Zukunft
Universitätsschule Dresden: eine Schule als Reallabor
Foto:
Maxi Heß © Universitätsschule Dresden
2019 startete ein mutiges Team aus Wissenschaft und Pädagogik in Sachsen ein einzigartiges Projekt: eine Schule, die nach den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen modelliert ist und gleichzeitig die Ansätze in der Praxis erprobt. Inzwischen ist die erste Hälfte der Projektlaufzeit erreicht – ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz.

Obwohl die Schule offiziell als Schulversuch gilt, erhält sie dieselben Ressourcen wie die anderen Schulen im Land. Dass sich damit auch ungewöhnliche Bildungsszenarien verwirklichen lassen, zeigt sich an der „Unischule“ schon morgens um 8 Uhr. Die Schülerinnen und Schüler checken dann mit ihrem elektronischen Chip ein. Wer Jahrgangsstufe 8 oder darunter besucht, geht erst einmal frühstücken und tauscht sich vielleicht – ungewöhnlich an anderen Schulen – darüber aus, an welchen Projekten er oder sie am Tag lernen möchte.
Darbietungen und Projektarbeit statt Unterricht
Um 8.30 Uhr finden sich die Jahrgänge 1 bis 6 in einem Lernraum ein, werden von ihrem Lernbegleiter begrüßt – ausgebildete Lehrkräfte übernehmen diese Rolle im Tandem mit Erzieherinnen und Erziehern. Gemeinsam starten sie im selbst moderierten Sitzkreis in den Tag und verfolgen dann ihre individuellen Projekte und Tagesziele. Jeweils die Klassenstufen 1 bis 3 und 4 bis 6 arbeiten jahrgangsübergreifend zusammen, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gehören ganz selbstverständlich mit dazu. Wer es für sinnvoll hält oder explizit aufgefordert wird, nimmt an einzelnen „Darbietungen“ des Lernbegleiters statt – kurzen Impulsen etwa zu schriftlicher Addition oder Wortarten.
Zielvereinbarungsgespräche und Dailys
„Die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter entwickeln bei uns eine hohe diagnostische Kompetenz. Sie schätzen ein, was ein Kind braucht, wie viel Freiheit ihm guttut und wann eine engere Führung nötig ist“, sagt Schulleiterin Maxi Heß. Einen Gong gibt es nicht, statt Fächern gibt es „Perspektiven“ und nur wenige – darunter Sport – sind klassisch im Stundenplan verankert. Dazwischen bieten mehrstündige Zeitfenster die Gelegenheit, sich in Projekte zu vertiefen. Regelmäßige Zielvereinbarungsgespräche zwischen den Lernenden und ihren Mentorinnen und Mentoren leiten den Lernprozess. Ab Klasse 7 ersetzt jeden Morgen das „Daily“ den Gesprächskreis, montags und donnerstags mit dem Mentor oder der Mentorin, am Dienstag und Mittwoch kommen im Daily Projektgruppen mit ihrer Leitung zusammen. Am Freitag sind die Jugendlichen im Praktikum in verschiedenen Betrieben.

Diagnostik, Evaluation und überdurchschnittliche Leistungen
Dass das Konzept trägt, zeigt sich auch bei den Abschlüssen: Zweimal hat die Universitätsgemeinschaftsschule inzwischen den Hauptschulabschluss und einmal den Mittleren Abschluss abgenommen. Die ersten Abiturprüfungen stehen 2028 an. „Wir haben jedes Mal über dem Landesdurchschnitt gelegen“, erzählt Heß. Dass die Schule gut erkennt, wo sie erfolgreich ist und wo sie nachbessern muss, liegt auch an der intensiven Diagnostik und wissenschaftlichen Evaluation, die Teil des Schulalltags ist. Standardisierte Tests kommen regelmäßig zum Einsatz. Zusätzlich führt das wissenschaftliche Begleitteam der Forschungsstelle Universitätsschule ForUS an der TUD jedes Jahr Untersuchungen durch: zur Zufriedenheit der Lehrkräfte, Kinder und Jugendlichen, zur Selbstwirksamkeitserfahrung der Schülerinnen und Schüler oder zur Entwicklung von Freundschaften in der offenen Lernkultur.
Wandel als Normalzustand
Manchmal zeigt sich – typisch Experiment –, dass etwas nicht so gut funktioniert. Für neue Formate gibt sich die Schule ein halbes Jahr Zeit. Was sich dann nicht bewährt, wird nicht weitergeführt. Für die Lehrkräfte sei die Dynamik mitunter eine Herausforderung, gesteht Heß zu – so zum Beispiel, als das gesamte Kollegium Lernbausteine entwickelte und sich dann herausstellte, dass es in Klasse 1 bis 6 noch zu früh dafür war.
Um die Lehrkräfte besser für solche Situationen zu wappnen, beschäftigt sich das Kollegium viel mit seiner Haltung. „Die Haltung hat viel damit zu tun, wie offen wir Neuem gegenüber sind. Deshalb sprechen wir darüber, wovor wir möglicherweise Angst haben und am Althergebrachten festhalten.“
Auch Heß selbst hat sich systematisch auf ihre Leitungsrolle an der Universitätsschule vorbereitet, zum Beispiel mit einer Ausbildung zur Prozesstransformatorin. „Transformation an Schulen ist essenziell, um zu besseren Lernsettings kommen. Aber Schulleitungen sind nicht gut dafür ausgebildet und bekommen nach meinem Eindruck nicht genug Rückendeckung und Austauschmöglichkeiten, um Transformationsprozesse zu gestalten. Ich würde mir wünschen, dass Schulämter da mehr Unterstützung und Prozessbegleitung anbieten.“
Bildung der Zukunft
Universitätsschule Dresden: eine Schule als Reallabor
Foto:
Maxi Heß © Universitätsschule Dresden
2019 startete ein mutiges Team aus Wissenschaft und Pädagogik in Sachsen ein einzigartiges Projekt: eine Schule, die nach den besten wissenschaftlichen Erkenntnissen modelliert ist und gleichzeitig die Ansätze in der Praxis erprobt. Inzwischen ist die erste Hälfte der Projektlaufzeit erreicht – ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz.

Obwohl die Schule offiziell als Schulversuch gilt, erhält sie dieselben Ressourcen wie die anderen Schulen im Land. Dass sich damit auch ungewöhnliche Bildungsszenarien verwirklichen lassen, zeigt sich an der „Unischule“ schon morgens um 8 Uhr. Die Schülerinnen und Schüler checken dann mit ihrem elektronischen Chip ein. Wer Jahrgangsstufe 8 oder darunter besucht, geht erst einmal frühstücken und tauscht sich vielleicht – ungewöhnlich an anderen Schulen – darüber aus, an welchen Projekten er oder sie am Tag lernen möchte.
Darbietungen und Projektarbeit statt Unterricht
Um 8.30 Uhr finden sich die Jahrgänge 1 bis 6 in einem Lernraum ein, werden von ihrem Lernbegleiter begrüßt – ausgebildete Lehrkräfte übernehmen diese Rolle im Tandem mit Erzieherinnen und Erziehern. Gemeinsam starten sie im selbst moderierten Sitzkreis in den Tag und verfolgen dann ihre individuellen Projekte und Tagesziele. Jeweils die Klassenstufen 1 bis 3 und 4 bis 6 arbeiten jahrgangsübergreifend zusammen, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gehören ganz selbstverständlich mit dazu. Wer es für sinnvoll hält oder explizit aufgefordert wird, nimmt an einzelnen „Darbietungen“ des Lernbegleiters statt – kurzen Impulsen etwa zu schriftlicher Addition oder Wortarten.
Zielvereinbarungsgespräche und Dailys
„Die Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter entwickeln bei uns eine hohe diagnostische Kompetenz. Sie schätzen ein, was ein Kind braucht, wie viel Freiheit ihm guttut und wann eine engere Führung nötig ist“, sagt Schulleiterin Maxi Heß. Einen Gong gibt es nicht, statt Fächern gibt es „Perspektiven“ und nur wenige – darunter Sport – sind klassisch im Stundenplan verankert. Dazwischen bieten mehrstündige Zeitfenster die Gelegenheit, sich in Projekte zu vertiefen. Regelmäßige Zielvereinbarungsgespräche zwischen den Lernenden und ihren Mentorinnen und Mentoren leiten den Lernprozess. Ab Klasse 7 ersetzt jeden Morgen das „Daily“ den Gesprächskreis, montags und donnerstags mit dem Mentor oder der Mentorin, am Dienstag und Mittwoch kommen im Daily Projektgruppen mit ihrer Leitung zusammen. Am Freitag sind die Jugendlichen im Praktikum in verschiedenen Betrieben.

Diagnostik, Evaluation und überdurchschnittliche Leistungen
Dass das Konzept trägt, zeigt sich auch bei den Abschlüssen: Zweimal hat die Universitätsgemeinschaftsschule inzwischen den Hauptschulabschluss und einmal den Mittleren Abschluss abgenommen. Die ersten Abiturprüfungen stehen 2028 an. „Wir haben jedes Mal über dem Landesdurchschnitt gelegen“, erzählt Heß. Dass die Schule gut erkennt, wo sie erfolgreich ist und wo sie nachbessern muss, liegt auch an der intensiven Diagnostik und wissenschaftlichen Evaluation, die Teil des Schulalltags ist. Standardisierte Tests kommen regelmäßig zum Einsatz. Zusätzlich führt das wissenschaftliche Begleitteam der Forschungsstelle Universitätsschule ForUS an der TUD jedes Jahr Untersuchungen durch: zur Zufriedenheit der Lehrkräfte, Kinder und Jugendlichen, zur Selbstwirksamkeitserfahrung der Schülerinnen und Schüler oder zur Entwicklung von Freundschaften in der offenen Lernkultur.
Wandel als Normalzustand
Manchmal zeigt sich – typisch Experiment –, dass etwas nicht so gut funktioniert. Für neue Formate gibt sich die Schule ein halbes Jahr Zeit. Was sich dann nicht bewährt, wird nicht weitergeführt. Für die Lehrkräfte sei die Dynamik mitunter eine Herausforderung, gesteht Heß zu – so zum Beispiel, als das gesamte Kollegium Lernbausteine entwickelte und sich dann herausstellte, dass es in Klasse 1 bis 6 noch zu früh dafür war.
Um die Lehrkräfte besser für solche Situationen zu wappnen, beschäftigt sich das Kollegium viel mit seiner Haltung. „Die Haltung hat viel damit zu tun, wie offen wir Neuem gegenüber sind. Deshalb sprechen wir darüber, wovor wir möglicherweise Angst haben und am Althergebrachten festhalten.“
Auch Heß selbst hat sich systematisch auf ihre Leitungsrolle an der Universitätsschule vorbereitet, zum Beispiel mit einer Ausbildung zur Prozesstransformatorin. „Transformation an Schulen ist essenziell, um zu besseren Lernsettings kommen. Aber Schulleitungen sind nicht gut dafür ausgebildet und bekommen nach meinem Eindruck nicht genug Rückendeckung und Austauschmöglichkeiten, um Transformationsprozesse zu gestalten. Ich würde mir wünschen, dass Schulämter da mehr Unterstützung und Prozessbegleitung anbieten.“




